Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Bewohnerinnen und Bewohner von Senioren-WGs Anrecht auf Leistungen der Behandlungspflege haben: auch wenn es sich um einfache Tätigkeiten wie die Vergabe von Medikamenten und das Anziehen von Thrombosestrümpfen handelt. Eine Krankenkasse hatte sich zuvor geweigert, für die ambulanten Pflegedienste zu zahlen, die gewöhnlich derartige Aufgaben in den Einrichtungen übernehmen.
Senioren- und Demenz-Wohngemeinschaften boomen! Hunderte derartige Einrichtungen sind in den letzten Jahren bundesweit entstanden. Und das aus gutem Grund. Sie bewahren ältere Menschen davor, ins Pflegeheim zu müssen. Stattdessen teilen sie sich eine WG, haben eine eigene Wohnung bzw. ein eigenes Zimmer und zusätzliche Gemeinschaftsräume. So können sie gemeinsam kochen, plaudern und die Freizeit gestalten, während die Bewohnerinnen und Bewohner doch ein Stück Autonomie wahren. Betreut werden sie zusätzlich von Personen, die bei der Organisation des Alltags helfen. Die Gruppen in solchen WGs sind oft viel kleiner als in einem Pflegeheim, sodass sie sich individueller aufgehoben wissen.
Aber in welchem Umfang haben diese Menschen auch Anrecht auf Behandlungspflege, die von ambulanten Pflegediensten erbracht wird? Mit dieser Frage musste sich das Bundessozialgericht befassen. Eine bayrische Krankenkasse hatte sich geweigert, den Pflegebedürftigen Leistungen zur sogenannten einfachsten medizinischen Behandlungspflege zu erstatten. Das sind stark vereinfacht Aufgaben, die auch von nicht medizinisch geschultem Personal erbracht werden können, aber auf die dennoch ein Erstattungsanspruch durch die Kassen besteht - sofern ein Arzt die Notwendigkeit hierfür festgestellt hat. Die Grundlagen sind u.a. im 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB 5) festgeschrieben.
Die Argumente der Krankenkasse: Solche „einfachen“ Aufgaben müssten nicht extra von Pflegediensten ausgeführt werden. Stattdessen könnten auch die Bewohner untereinander diese Aufgaben übernehmen: oder jene Betreuer, die in den WGs vor Ort seien. Zudem müssten bei Pflegebedürftigen, die zuhause betreut werden, auch die Angehörigen derartige Tätigkeiten ausführen.
WG-Bewohner klagen erfolgreich
Drei Seniorinnen und Senioren klagten aber, nachdem die Krankenkasse für diese Zahlungen nicht mehr zahlen wollte. Mit Erfolg: sowohl das Sozialgericht Landshut als auch das Bayerische Landessozialgericht entschieden im Sinne der Pflegebedürftigen. Und letztendlich auch das Bundessozialgericht in Kassel (Urteil vom 26.03.2021, B 3 KR 14/19 R). Bei diesem Urteil ging es um die Frage, ob eine Senioren-WG-Bewohnerin dreimal täglich Anspruch auf Medikamentengabe durch einen ambulanten Pflegedienst hat: Was der BSG bejahte. Sie besaß Pflegegrad 4.
„Nach der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und sozialer Pflegeversicherung bei ambulanter Versorgung können Versicherte Leistungen der Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege - einschließlich der einfachsten Maßnahmen - auch dann beanspruchen, wenn sie zugleich ambulante Pflegeleistungen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung beziehen“, für das Bundessozialgericht aus. Das gelte auch dann, wenn mehrere Pflegeversicherte Leistungen der häuslichen Pflegehilfe gemeinsam in Anspruch nehmen. Die Richter verwiesen auf die Reform des Pflegebedürftigkeits-Begriffes durch die Pflegestärkungsgesetze. Dort war der Leistungsanspruch ausgebaut worden.
Dennoch fallen auch hohe Kosten an, wenn man in die Senioren-WG zieht: Die oft nicht gedeckt werden können. Neben der Miete etwa auch Geld für das Essen und das Betreuungspersonal. Mitunter sind die Kosten höher, als wenn man zuhause in den eigenen vier Wänden betreut werden würde. Auch, wer alternative Formen des Wohnens einem Pflegeheim vorziehen würde, sollte demnach mit einer Pflegezusatzversicherung vorsorgen.