Auf einem Gewerbegelände wurde ein junger Wachhund in einen Unfall verwickelt. Vor dem Landgericht München wurde darüber gestritten, ob den Halter eine Mitschuld trifft und ob sich typische Tiergefahr verwirklicht habe.
Was ist eigentlich unter ‚typischer Tiergefahr‘ zu verstehen? Dazu führte das OLG Celle in einem Urteil 2002 (Az: 14 U 94/02) aus:
„Mit dem Scheuen des Pferdes vor einer Pfütze oder den lauten Geräuschen, die der Lkw der Beklagten verursacht hat, hat sich dessen typische Tiergefahr realisiert. Ein unverhofftes Zurseitespringen, plötzliches Rückwärtsgehen oder fluchtartiges Vorwärtsstürmen eines Pferdes vor einem ‚imaginären Hindernis‘ stellt ein unberechenbares und oftmals schwer bis gar nicht zu beherrschendes Verhalten dar, das auch geländesichere Pferde, die an Straßenverkehr gewöhnt sind, unvorhersehbar an den Tag legen können. Ein Reiter darf sich in der heutigen Zeit, in der sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier deutlich entfremdet hat, nicht darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer Verständnis für diese tiertypischen Eigenschaften aufbringen und sich entsprechend rücksichtsvoll verhalten.“
Die Reiterin musste sich also das Verhalten ihres Tieres zurechnen lassen und für die Folgen haften. In diesem Fall wurde der Schaden anteilig verteilt.
Auf einen ähnlichen Entscheid hoffte wohl auch ein Autofahrer in München. Er hatte auf einem Gewerbegelände einen vier Monate alten Rhodesian Ridgeback Rüden im Vorbeifahren erfasst und verletzt. Der Hund war angeleint und sollte später als Wachhund auf dem Gewerbegelände eingesetzt werden.
Der Fahrer des Autos versuchte nun den Schaden geringer ausfallen zu lassen, indem er mit der Realisierung einer typischen Tiergefahr argumentierte.
Dem wollte sich das Landgericht München (Az. 20 O 5615/18) aber nicht anschließen. Nach Zeugenvernehmung zum Unfallhergang und gutachterlicher Einschätzung, ob die Verletzungen des Hundes an der Vorderpfote unfallbedingt und die geltend gemachten Behandlungskosten angemessen seien, kam das Gericht zu folgender Entscheidung:
Der Fahrer überschritt die auf dem Gelände zulässige Höchstgeschwindigkeit (10 km/h) um 10 km/h. Ein Mitverschulden des Hundeführers - etwa durch Verwirklichung der sogenannten Tiergefahr - schloss das Gericht aus.
Auch die Physiotherapie sei notwendig gewesen, da der junge Hund sich zum Zeitpunkt des Unfalls noch im Wachstum befunden habe, so das Gericht.
Insgesamt wurde der Autofahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung zu einem Schadenersatz in Höhe von 20.000 Euro verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.